«Ich hasse den Krieg»

Wir präsentieren eine neue Veröffentlichung aus einer Interview-Reihe mit Jane Letova und der roten Jugend und den Soldaten von Donbass. Nachrichten über die regelmäßigen Beschüsse der Frontdörfer der Volksrepubliken Donezk und Lugansk seitens der Streitkräfte der Ukraine sind von den Bildschirmen des russischen Fernsehens längst verschwunden. Nur wenige Menschen glauben an eine rasche Lösung des militärischen Konflikts, aber es gibt Menschen, die ihre Arbeit ohne Kraft und Illusion fortsetzen. Über das Leben im Krieg und Frieden, über die Situation der Unsicherheit, über das Glück, über die Hoffnung auf das Beste und über den Kampf - setzen wir nun das Gespräch fort, welches wir mit dem Befehlshaber des Geisterbataillons Alexei Markov, alias der «Der Gutmütige», schon vor einigen Jahren begonnen hatten.

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Wie ist der Stand der Dinge in der Republik? Welche Veränderungen sehen Sie in den letzten Jahren?

Die Kriegssituation ist seit Debalzevo praktisch unverändert. Debalzevo war im Prinzip die letzte größere militärische Operation, seitdem kann man die Situation als einen träge verlaufenden Militärkonflikt bezeichnen. Es gibt Verluste, es gibt Beschüsse, es gibt Opfer unter der Zivilbevölkerung, aber es gibt keine Frontbewegungen oder größere Offensiv- bzw. Verteidigungsoperationen.

Im Zivilbereich gewöhnen sich die Menschen daran. Leider gewöhnen sich die Menschen an solche Barbareien, wie Krieg. Jeder will weiter leben ... Menschen bringen Kinder zur Welt, bringen sie in die Schule, andere versuchen sich irgendwie hier ein Leben aufzubauen. In wirtschaftlicher Hinsicht ist natürlich alles ziemlich traurig, aber es wird nach und nach versucht, Unternehmen wiederaufzubauen, die 2014 stillgelegt wurden.

Soweit ich weiß, wurde das Eisen- und Stahlwerk Altschewsk teilweise wieder in Betrieb genommen, und in Stachanow wurde ein Werk in Betrieb genommen. Wir in Kirovsk hat «Zentrokuz» die Arbeit wieder aufgenommen. Die Menschen leben – es ist hart, aber sie machen weiter. Leider gewöhnen wir uns an alles, auch an das, woran man sich lieber nicht gewöhnen sollte. Es ist natürlich auch sehr frustrierend, dass der Staatsaufbau in der Republik sehr langsam und meiner Meinung nach spontan und ohne planlos verläuft. Doch ich vermute, dass der Grund dafür eine offensichtliche Unsicherheit in Bezug auf unsere Zukunft ist. Das heißt, es ist fast jedem klar, dass die Zukunft von Donbass nicht in Lugansk, nicht in Donetsk und nicht einmal in Kiew, sondern höchstwahrscheinlich in Moskau oder vielleicht sogar in anderen Hauptstädten entschieden wird.

Daher können wir zwar irgendwelche eigene Pläne aufbauen, aber letztendlich weiß keiner, was in der Realität daraus wird. Die Tatsache, dass russische Pässe ausgestellt werden, macht den Menschen ein wenig Hoffnung. Auf der anderen Seite gibt es Bedenken: Jetzt werden sie uns russische Pässe geben, und dann wird man sagen - geht alle raus nach Russland. Wenn es doch eine klare Ansage hätte geben können, wonach wir streben, wofür wir eigentlich kämpfen und was wir in Zukunft erwarten sollten, hätte es für viele Menschen das Leben einfacher gemacht. Bisher aber schwebt eine gewisse Unsicherheit in der Luft.

Wie lautet denn Ihre Prognose bezüglich der Ausstellung von Pässen? Besteht die Wahrscheinlichkeit, dass die Leute massenweise wegziehen?

Ich denke, bis Ende des Jahres wird jeder, der die Gelegenheit hat, den Pass erhalten.  Außerdem gibt es heute in vielen großen Städten eine große Anzahl von Menschen von der «anderen Seite», die zuerst den Lugansk-Pass und dann den darauf basierenden russischen Pass erhalten. Meldebehörden sind voll, die Warteschlangen riesig. Zwei Wochen lang registrieren sich die Leute in dieser Warteschlange, um zur Meldebehörde zu gelangen. Das Gleiche bei der Staatsbank: Um Gebühr für Passausstellung zu entrichten, bilden sich Warteschlangen zu 80, 90 Leuten – bis hin auf der Straße stehen die an. Das heißt, der Ansturm ist ziemlich hoch. Aber ich denke, mit der Zeit wird alles ein wenig nachlassen: Die erste Welle wird abflauen, der Passausstellungs- und der Dokumentenerstellungsprozess wird sich verbessern und dann wird es schon etwas schneller gehen. Zur Zeit ist der Ansturm einfach sehr groß.

Und wie lange ist die Bearbeitungsdauer von der Einreichung der Dokumente bis zur Erlangung eines Reisepasses?

Drei Monate. Innerhalb von drei Monaten prüfen sie die Dokumente und geben entweder eine Absage oder fertige Pässe ab. Die ersten Soldaten des Korps haben bereits Pässe erhalten, etwa zweieinhalbtausend haben abgegeben. Wir haben ein anderes Problem: Das gesamte Bataillon ist an vorderster Front, und für die richtige Dokumentenerstellung muss man die Person abkommandieren und für zwei – drei Tage in die Stadt schicken, um eine Geburtsurkunde, Dokumentenkopien, Passbild, welches nur in der Stadt gemacht werden kann, zu sammeln. Das alles ist sehr lang und langsam. Trotzdem ist die Arbeit im Gange und das, worüber man schon so lange gesprochen hatte – über die Notwendigkeit russischer Staatsbürgerschaft - beginnt sich nun endlich zu verwirklichen.

Dies ist meiner Meinung nach ein positives Zeichen. Außerdem ist die Bevölkerung hier absolut russisch. Es gibt ethnische Ukrainer, für die Ukrainisch Muttersprache ist, aber sie fühlen sich hier vollkommen sicher. Viele sind in meinem Bataillon. Hier geht es nicht um einen ethnischen Konflikt, sondern um einen rein ideologischen.

Viele Menschen hatten im Zusammenhang mit den Wahlen in der Ukraine gewisse Hoffnungen. Hat sich die Situation hier an der Front in diesem Zusammenhang geändert?

Noch vor der Wahl sagte ich, egal wer gewinnt, für uns wird es absolut keinen Unterschied geben. Mehr noch, für uns wäre es sogar vorteilhafter, wenn Poroschenko geblieben wäre. Denn er würde die Ukraine ganz sicher zu einem Zugunder bringen, dadurch könnte sich vielleicht die Chance für eine reale Entscheidung und eine Einigung ergeben. Der Vertrauensvorschuss, den die Ukrainer jetzt dem Zelensky geschenkt haben, ähnelt sich sehr dem Glauben an einen guten König, der kommen und alles korrigieren wird. Das wirklich phänomenale Ergebnis Zelenskys, deutet einerseits auf die allgemeine Müdigkeit des Volkes von den professionellen Sprechern - Politikern, die nur ihre eigene Probleme lösen, und andererseits auf die Hoffnung, darauf dass neue, von der Korruption unverdorbene Menschen von außen kommen, und sie werden ihre neue Aufgabe ganz bestimmt gut machen. Das Schlimme daran ist, jedes Mal, wenn die Leute hoffen, dass jemand kommt und alles gut macht, kommt normalerweise jemand, der nur für sich etwas Gutes macht.

Und in militärischer und politischer Hinsicht wird es für uns absolut keinen Unterschied geben. Schon wenn man die ersten Schritte von Zelensky betrachtet: Der gemeinsame Auftritt mit Asow, mit den Nazis von Asow, Erklärungen, dass Krim und Donbass der Ukraine gehören, Verfolgung der «Einheitssprache für ein Land – Politik», die weitverbreitete Unterdrückung der russischen Sprache und Geldstrafen für deren Benutzung. Zelensky ist kein Dummkopf. Obwohl er keine politische Erfahrung hat, ist es ihm klar, dass man ihn mit Füßen treten wird, sobald er sich der ultranationalen nationalistischen Agenda widersetzt. Alle Hunde werden sofort auf ihn gehetzt, aber nicht etwa seitens der Nationalisten, sondern seitens Poroschenko und Julia, der guten alten Politiker der «alten Schule», denn für die wird sich eine gute Gelegenheit ergeben zu sagen: - Ja, seht mal alle her, Zelensky hat die Ukraine verraten, kaum zum Präsidenten gewählt - und schon verkauft er uns an Russland, lasst uns den kaputt machen. Und es werden alle auf ihn losgehen, egal was er in Wirklichkeit will. Das wäre ein guter Grund, wissen Sie. Ein Versuch, mit Russland zu verhandeln, ein Versuch, mit dem Donbass zu verhandeln - das wird genau der Grund sein, der allen die Erlaubnis gibt, auf ihn herumzutrampeln. Er ist kein Dummkopf, er versteht das. Daher wird es keinen Versuch geben, eine Einigung über den Frieden zu erzielen. Wir sind bereit dafür, wir haben auch mit nichts anderem gerechnet.

Was können Sie über die Initiative «Donbass Choice» sagen?

Hier lacht man darüber. Donbass hat schon lange seine Wahl beim Referendum getroffen. Das ist alles! Und hier muss man keinen über etwas fragen. Wie kann man einem Menschen jedes Mal erklären, wenn noch ein Zivilist stirbt, wenn noch ein Haus zerstört wird? Hier lebte er, hier wurde er geboren, er wuchs hier auf, seine Eltern wurden hier geboren und aufgewachsen, sein Großvater und seine Großmutter ... Eine Granate fliegt in sein Haus, tötet seine Frau, zerreißt sein Kind ... Eine Granate, die von der ukrainischen Regierung abgefeuert wurde. Und sie sagen zu ihm: Da müssen wir uns irgendwie mit der ukrainischen Junta einigen. Da will er sich auf nichts einigen! Das Mindestprogramm: Die Ukraine vergessen und sich nie mehr an sie erinnern. Und es gibt noch diejenigen, die absolut dafür sind, nach Kiew zu gehen, die Nationalisten von der Macht überhaupt alle zu vertreiben, das heißt, die sind schon ziemlich entschlossen. Aber die meisten Menschen sind kleinbürgerlich, wie auch anderswo, hier ist der Donbass nicht anders als derselbe Kusbass oder die Region Jaroslawl. 80 Prozent der Bevölkerung will in Ruhe gelassen werden und ein normales, ruhiges Leben führen. Das ist alles.

Wer dort in Kiew sitzen wird, wer in der Rada sitzen wird, oder dort in Lugansk oder woanders - im Großen und Ganzen ist es ihnen egal. In der Regel sind diese zehn bis fünfzehn Prozent der politisch aktivsten Menschen für politische Veränderungen verantwortlich. Bei uns war es im Bürgerkrieg genauso, während der Perestroika und so weiter.

Warum ist diese Initiative gerade jetzt aufgetaucht?

Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt ist es eine undankbare Aufgabe, zu überlegen, was in den Köpfen unserer Politiker vor sich geht. Jemand hat jemandem etwas erzählt - hier lasst uns zeigen, dass es eine solche Initiative gibt. Vielleicht ist es nur eine Imitation irgendeiner Aktivität, vielleicht ein Versuch, eine Angelrute auf die andere Seite zu werfen, um zu sehen, wie man darauf reagiert. Meiner Meinung nach ist der Versuch völlig sinnlos. Ich sage noch einmal: Der Konflikt im Donbass wird nicht in Donezk, nicht in Lugansk und höchstwahrscheinlich auch nicht in Kiew gelöst.

Was sind die Herausforderungen, vor denen der «Prizrak» jetzt steht?

Das gleiche wie im Jahre 2014. Den Feind nicht vorrücken lassen, die Position halten, dem Feind maximale Verluste zufügen. Wir sind eine Militäreinheit. Seit dem Sommer 2015 sind wir nur im Krieg beschäftigt, wir machen es gut. Nach den Ergebnissen des vergangenen Jahres 2018 wurde das Bataillon als bestes Territorialbataillon der Republik anerkannt. Jetzt haben wir den ersten Platz im Kampftraining. Militärisch sind wir auf einer der höchsten Ebenen in der Republik Lugansk. Und die Aufgabe ist es, wie bei jeder Militäreinheit, dem Befehl des Oberkommandos korrekt und verlustfrei Folge zu leisten. Aber es gibt noch eine Nuance: Unsere Einheit zeichnete sich immer von einer sehr großen Anzahl ideologischer Kämpfer aus. Die Menschen, die hierher kamen, nicht nur um militärischen Dienst zu leisten oder Geld zu verdienen oder aus allgemeiner Verzweiflung heraus, sondern Menschen, die aus einem bestimmten Grund hierher fanden, wie wir alle, die im 14. Jahr hierher gekommen sind. Das heißt, nicht einfach nur fünf Jahre Ihres Lebens hier zu verschwenden. Ich möchte nur sicherstellen, dass sich die Macht in der Ukraine verändert - von ultranationalistischen, nationalsozialistischen zu einer mehr oder weniger vernünftigen Macht. Es ist klar, dass es unter der Oligarchie keine normale Macht geben wird. Es gibt unverhohlene Kannibalen und es gibt Kannibalen, die das Menschenfleisch im Supermarkt schön verpackt kaufen. Man kann nicht sagen, dass sich die Einen prinzipiell von den Anderen unterscheiden, aber wenn sie zumindest aufhören, Zivilisten zu töten und Häuser hier zu zerstören, kann ich sagen, dass ich meine Aufgabe hier bereits erfüllt habe ... Und viele Kämpfer im «Prizrak» sehen ihre Aufgabe nicht nur im Militärdienst selbst, sondern darin, die Welt zum Besseren zu verändern, sagen wir so. Wenn es der Ukraine gelingt, sich von der Braunpest zu befreien, die in den letzten fünf Jahren sie verunreinigt hat, ist dies bereits eine Aufgabe, für die es sich das Leben und die Gesundheit zu riskieren lohnt samt der ganzen Jahren der hier verbrachten Lebens. Es ist gut möglich, dass wir ausgerechnet dem ideologischen Beweggrund des Großteils der Kämpfer bei uns hier, unser hohes professionelles Niveau und gute Ausbildung dieser Kämpfer zu verdanken haben. Sie wissen, warum sie hierher gekommen sind, warum sie kämpfen, was dafür nötig ist. Ehrlich gesagt - ich bin stolz auf meine Kämpfer.

Wie hat sich die Zusammensetzung des Bataillons in den letzten Jahren verändert?

Erstens gibt es natürlich weniger russische Freiwillige, obwohl wir auch jetzt noch genug haben. Wahrscheinlich haben wir die meiste Anzahl an russischen Freiwilligen allgemein in der Republik Lugansk. Aber wenn sie früher bis zur Hälfte des Personals ausmachten, sind es jetzt weniger. Jetzt werden es natürlich immer mehr Anheimische. Es sind jetzt weniger Leute, die in den interessanten und lustigen Krieg gingen. Geblieben sind Menschen, die sich unter schweren Bedingungen Monat für Monat, Jahr für Jahr in den Boden bohren, Feuer halten, Zähne zeigen, den Feind nicht durchlassen, ständig unter Stress stehen und das alles in der Entfernung eines Granatenwurfs. Unsere Laufgräben sind so nah, dass man sich gegenseitig bewerfen könnte. Und in diese Leute habe ich mehr Vertrauen. Weil es eine Sache ist, wegen Adrenalin zu kommen, wohlwissend, dass man einen, zwei oder drei Monate hier verbringt, dann kehrt man wieder zu einem normalen Leben zurück. Es ist aber eine ganz andere Sache - drei Jahresverträge, die ohne Rotation, ohne Schichtwechsel, unter ständigem Beschuss und unter ständiger Lebensbedrohung an vorderster Front zu dienen. Das ist viel schwerer, viel schwerer ... Und die Diejenigen, die jetzt im «Prizrak» geblieben sind, sind viel stärker. Sie haben es überstanden, überlebt, und auf die kann ich zählen.

Wer hilft Ihnen jetzt und welche Art von Hilfe wird am dringendsten benötigt?

Es helfen nicht allzu viele Leute. Wenn in den Jahren 2014-2015 das Thema der Hilfe für den Donbass populär war und fast jeder sich damit beschäftigte, ist e jetzt nur eine kleine Anzahl von Leuten damit beschäftigt, den Einheiten von Donbass wirkliche Hilfe zu leisten. Aber sie tun dies nicht für die Öffentlichkeitsarbeit, nicht für ihre eigene Popularität, sondern von sich heraus, vom ganzen Herzen. Die Union der Donbass-Volonteure hilft uns dabei. Sie hilft wirklich sehr, insbesondere was die Behandlung von Verwundeten betrifft und auch beim Auftreiben sehr notwendiger und wertvoller Ersatzteile. Die Union der sowjetischen Offiziere hilft auch. Das Koordinierungs- und Unterstützungszentrum für Novorossia leistet sehr viel Arbeit, aber sie tun nur dies. Außerdem gibt es eine Reihe von Privatpersonen, die aus verschiedenen Gründen ihre Teilnahme nicht öffentlich machen möchten: viele haben ihr eigenes Business und Geschäftsbeziehungen. Aber deren Hilfe ist wirklich von unschätzbarem Wert, denn Krieg ist ein sehr teures Unterfangen, sehr teuer sogar. Wenn wir anfangen, die Monatsbeträge summieren, was wir alles verbrauchen, dann kommen wir schon auf 70-80 Tausend (Rubel) allein für die Ersatzteile, um unsere Fahrzeuge mobil zu halten. Für gepanzerte Fahrzeuge sind ganz andere Summen vorgesehen, Reparatur von Waffen, Einkauf von Medikamenten, Behandlung der Verwundeten – da kommt man auf große Beträge. Dabei zähle ich keine größeren Positionen dazu, solche wie z.B. Neueinführung einer sicheren Digital-Funkkommunikation, Einkauf von Spezialausrüstung für korrekte Arbeit der Artillerie, Beschaffung von Optik, Einkauf von Nachtsichtgeräten und Wärmebildvisierern. Nur dank der Hilfe dieser Menschen haben wir jetzt die Möglichkeit, unsere Position zu halten und uns technisch zumindest teilweise mit den Gegnern zu messen. Denn die ukrainischen Streitkräfte von 2019 ist kein Vergleich mit denen von 2014. Technisch sind sie jetzt gewachsen, natürlich dank der Hilfe ihrer westlichen Freunde. Sie sind mit unbemannten Flugzeugen ausgestattet, auch mit Nachtsendern, sie haben eine ziemlich gute Gegenbatterie-Kampfstation, sie haben ziemlich viele Nachtsichtgeräte und das Soldatentraining selbst ist besser geworden. Daher wäre es ohne die Hilfe unserer Freunde unglaublich schwer für uns.

Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit Frieden in die Republiken einkehrt, damit ein friedliches Leben wieder möglich ist, wenn auch nur kurzfristig?

Auf die nahe Zukunft würde ich nicht zählen. In der Tat gibt es nur eine Bedingung - die Macht in Kiew sollte sich radikal verändern. Und sollte dies nicht geschehen, dann kann es unter keinen anderen Bedingungen Frieden hier geben. Die aktuelle ukrainische Regierung ist weniger Subjekt der Politik als vielmehr Objekt der Politik. Die Zukunft der Republiken wird weitgehend vom Wunsch der Behörden in Washington und in London bestimmt, die für eine Stärkung Russlands und eine Erweiterung der russischen Welt äußerst uninteressant sind. Ich vermute, dass der Konflikt in den nächsten Jahren im Donbass nicht gelöst werden wird. Es wird zu einem andauernden Konflikt wie in Abchasien, Südossetien, der sich über Jahre hinziehen wird: Die Ukraine wird hier nicht mit militärischen Mitteln siegen können, aber gleichzeitig wird niemand die Möglichkeit geben, unsere Souveränität in den Republiken anzuerkennen. Man muss verstehen, dass internationale Politik auf Heuchelei und Kannibalismus beruht, zumindest wenn wir den Westen meinen. Dieselben Banditen im Kosovo, die die serbische Bevölkerung massakrierten und sofort ihre Staatlichkeit entgegen allen Gesetzen erlangten, weil es rentabel war. Abchasien und Ossetien werden vom Westen ebenfalls nicht anerkannt werden, und dies aus einem einfachen Grund: Es ist nicht rentabel. Gleiches gilt für die Republiken Lugansk und der Donezk. Daher sollte man nicht auf diejenigen gucken, die weit weg sitzen. Unsere Aufgabe ist es, das Leben hier und jetzt zu normalisieren. Wenn es soweit ist, hier zu leben, dann können wir im Prinzip auf die Ukraine verzichten. Bereits heute verbindet uns nichts mit der Ukraine. Ich habe schon mehr als einmal aus Spaß gesagt, dass Poroschenko für einen Orden zwar zu wenig geleistet hat, aber für eine Medaille oder ein Zertifikat reicht es allemal. Damit will ich sagen, dieser Mensch hat absichtlich alles Mögliche und Unmögliche getan, um den Donbass vollständig von der Ukraine abzuschneiden. Jeder ihrer Schritte zum Thema Wirtschaftsblockade der Republiken, jeder reißende Faden, der mit der Ukraine verband führte zur Bildung eines neuen Fadens, der sie mit Russland verband. Sie haben hier den Mobilfunk verboten - neue Betreiber entstanden hier. Vom Notariatsregister ausgeschlossen - erschien lokaler Notariat. Die Griwna wurde verboten - alle wechselten zur Rubelwährung. Sie haben eine Wirtschaftsblockade verhängt und den Import von Produkten hierher blockiert, in der Hoffnung, dass wir alle verhungern - man hat einfach angefangen, Produkte aus Russland zu transportieren. Das Gleiche - Gas, Wasser, Strom - alles kommt jetzt aus Russland. Und praktisch nichts verbindet heute die Republik mit der Ukraine, außer der teilweisen Auszahlung von Renten und einigen Dokumenten.

Aber nachdem die Mehrheit russische Staatsbürgerschaft erhält, wird man sagen können, dass wir ein völlig abgeschnittener Teil sind. Daher sollten wir uns darauf vorbereiten, in diesem Status noch mindestens einige Jahre leben zu müssen, bis einige radikale Veränderungen entweder in der Ukraine selbst oder in der Welt stattfinden. Eine Zeit der großen Umwälzungen ist gleichzeitig eine Chance für kleinere, aber gut organisierten Gruppen. Ich hoffe, wir werden diese Chance nutzen können.

Wie kooperieren Sie hier mit der Zivilbevölkerung hier?

Mit der zivilen Macht von Kirowsk leben wir in perfekter Harmonie. Hier ist der Unterschied zwischen den Frontstädten und den Städten, die weiter hinten liegen, sehr bemerkbar. Leute, die die Kanonade jeden Tag hören, verstehen sich mit dem Militär sehr gut. Mit der Stadtverwaltung stimmen wir auch vollkommen überein. Wir helfen uns immer. Wenn sie irgendwelche Technik brauchen, zum Beispiel Müll raustransportieren oder Wasser holen für Dörfer, die keine Wasserversorgung haben, sind wir als Militär immer für die Menschen da.

Dementsprechend gibt es von ihrer Seite Hilfe Feierorganisierungen. Es werden für uns Konzerte veranstaltet. Die Kinder des Militärpersonals bekommen Ferienschecks. Das ist die Besonderheit der Frontstadt, wenn die Leute jeden Tag sehen, was ihnen morgen passieren kann, wenn wir plötzlich die Front nicht mehr halten können. Über weiter entfernte Städte kann ich schon nicht mehr genau sprechen, einfach nur weil ich dort selten bin. Ich komme von hier von der Front nicht heraus. In Alchevsk in Lugansk haben viele bereits vergessen, dass der Krieg läuft. Sie hören ihn nicht, sehen ihn nicht, er berührt sie praktisch nichts mehr. Und da sehen die Beziehungen etwas anders aus. Zumindest haben wir keine Probleme mit den zivilen Behörden - vollständiges gegenseitiges Verständnis. Außerdem ist mehr als die Hälfte meiner Truppen Einwohner von Kirovsk und von umliegenden Dörfern. Das ist ihre eigene Heimat.

Haben Sie irgendeine Verbindung zu den kommunistischen Organisationen in der LPR?

In Lugansk nicht wirklich. Zuvor waren wir eng mit den Kommunisten in Lugansk im Kontakt, sie kamen ziemlich oft zu uns, ich besuchte sie. Aber jetzt sieht die Situation wie folgt aus: Die Position in Kirovsk kann ich praktisch nicht verlassen. Ich bin sehr selten in Alchevsk, in Lugansk nur wenn mich das Kommando bestellt. Und ich habe physisch nicht die Möglichkeit, einfach nach Lugansk zu gehen. Das sind 1,5 bis 2 Stunden in eine Richtung, das gleiche wieder zurück. Auch wenn ich nur für eine Stunde in Lugansk bin – den Tag kann man vergessen. Und hier bei uns zählt jede Stunde. Es gibt noch eine Nuance: Soweit ich mich erinnere, haben die Lugansker Kommunisten ihre Partei und ihre Organisation nicht offiziell registriert, daher arbeiten sie eher auf ehrenamtlicher Basis.

Wir haben sehr gute und enge Beziehungen zur Kommunistischen Partei Russlands. Gennady Andreyevich hat uns persönlich oft sehr geholfen, Kazbek Taysaev hilft uns, Rodin hilft auch. In dieser Hinsicht haben wir sehr gute Beziehungen aufgebaut. Das politische Feld in den Republiken ist ziemlich stark abgenutzt. Das politische Leben als solches existiert hier nicht. Es gibt öffentliche Organisationen, die irgendwie für sich existieren, aber ist klar, dass an die reale Machthebel, sie niemand hier zulassen wird. Republiken werden weitgehend manuell kontrolliert. Hier kann man Politik spielen, aber an die seriöse Politik wird man nicht heran gelassen. Aber so hatten wir immer gute Beziehungen zu den Kommunisten, wenn man bedenkt, dass der größte Teil des Kommandopersonals auch Kommunisten sind, auch meine Person.

Gibt es jetzt einen Klassenkampf in der Republik Lugansk, ist etwas mit dem Klassenbewusstsein bei Menschen passiert? Oder ist zur Zeit niemandem danach?

Ja, ich fürchte, dass ... Wie kann ich ehrlich beantworten? Im Großen und Ganzen sind die Oligarchen in der Ukraine, in Russland und in den Republiken gleich. Und für die Oligarchen ist immer viel leichter sich untereinander abzustimmen, als den Arbeitern, der arbeitenden Bevölkerung, ein paar Zugeständnisse zu machen. Es gibt hier noch eine Besonderheit - eine große Anzahl von Industrieunternehmen wurde während des Krieges entweder gestoppt oder zerstört. Die meisten Menschen überleben, wer durch Renten, wer durch Kleinhandel, andere gehen zum Geldverdienen nach Russland. Es gibt keine große Arbeiterbewegung und leider auch keine Kraft, die diese Bewegung organisieren könnte, sie dazu bringen könnte, Ziele und Aufgaben zu setzen um diese zu erreichen. Hier sind die Menschen zum überleben gezwungen, und in einer solchen Situation bleibt in der Regel keine Zeit mehr, um über eine glänzende Zukunft zu sprechen. Wenn einer in der dunklen Gegenwart lebt, besteht seine Aufgabe darin, den nächsten Tag zu überstehen und die Kinder durchzubringen. An die Organisation von Kundgebungen oder Streiks ist nicht mehr zu denken. Ich fürchte, solange es hier keine Ruhe einkehrt, wird es auch keine mächtige Arbeiterbewegung geben. Auch hier genügt ein Blick auf Russland – da gibt es keinen Krieg, man lebt in einem relativen Wohlstand, aber wirklich funktionierende Gewerkschaften, die landesweite Aktionen organisieren könnten, gibt es nicht. Ich weiß, es gab zwar einige Generalstreiks beim VAZ, in den Ford-Werken, irgendwo hatte jemand etwas erreichen können, aber das waren alles Lokalaktionen. Eine landesweite Bewegung existiert bis jetzt immer noch nicht. Mehr noch, es besteht ein ständiger Streit zwischen den einzelnen kommunistischen Parteien, es wird diskutiert, wer von ihnen dem Vermächtnis der Klassiker am treuesten ist. Und natürlich hat sich das Jahr 1917 für immer im Unterbewusstsein aller Unterdrücker als der schlimmste Albtraum eingeprägt. Bereits einmal haben wir gezeigt, dass ein Staat ohne professionelle korrupte Politiker, ohne Oligarchen, ohne Kapitalisten existieren kann - und dieser Staat kann weltweite Erfolge erzielen. Klar, dass uns jetzt keiner mehr eine zweite Chance gibt. Ein zu «schlechtes» Beispiel hatten wir der ganzen Welt gezeigt. Dies ist jedoch ein anderes Diskussionsthema, welches nicht nur die Republiken allein betrifft, sondern alles, was sich derzeit auf der ganzen Welt abspielt.

Das Jahr 1917 hat sich für immer im Unterbewusstsein aller Unterdrücker als der schlimmste Albtraum eingeprägt. Bereits einmal haben wir gezeigt, dass ein Staat ohne professionelle korrupte Politiker, ohne Oligarchen, ohne Kapitalisten existieren kann - und dieser Staat kann weltweite Erfolge erzielen.

Die Revanche von Kapitalismus in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts traf natürlich alle hart, nur das eine ist erfreulich: Die Geschichte hört niemals auf. Und die Menschen – oder besser gesagt, Unmenschen - die vor Freude sprangen: Das war´s, die Sowjetunion ist weg, jetzt wird alles nach unserem Willen geschehen - sie freuten sich wohl zu früh. Der Kapitalismus kann nicht ohne Krisen bestehen: In Vergangenheit hatte man Krisen immer an die Peripherie, an Drittländer verschoben, überschüssiges Geld dorthin verlagert, billige Arbeitskräfte von dort geholt, aber am Ende hat sich nun herausgestellt, dass die Erde ein zu kleiner Planet ist. Jetzt, wo der Kapitalismus global geworden ist und wo es für ein transnationales Unternehmen nun völlig egal ist, wo es seinen Sitz hat – in Malaysia oder Washington, wird es immer schwieriger sein, seine Probleme an die Peripherie zu verschieben. Früher oder später wird der Kapitalismus sich selbst verschlingen. Das ist unvermeidlich. Und ich würde es sehr begrüßen, wenn es bis zu diesem Zeitpunkt eine Art Organisation geben würde, die einen eigenen Plan für den Aufbau der Zukunft hätte, mit Menschen, die diesem Plan folgen würden, und Ideen, die Millionen von Menschen aufgreifen könnten.

Vor hundert Jahren hatten sich die Ereignisse für die Bolschewiki so ergeben. Man hatte viel Glück, dass es in diesem Moment London, Paris und Washington nach dem Ersten Weltkrieg völlig erschöpft waren und keine Kraft mehr hatten für die Unterdrückung der Revolution. In dieser Hinsicht hatten wir viel mehr Glück als die Pariser Kommune, die man mit gemeinsamen Kräften vernichtet hatte. Uns zu vernichten hatten sie nicht geschafft. Ob wir das nächste Mal Glück haben - wer weiß ... Auf jeden Fall, wenn man nichts tut, dann wird nichts entstehen. Hoffen wir auf das Beste und bereiten uns darauf vor.

Woher nehmen Sie deine Kraft?

Nirgendwo. Ehrlich gesagt, ich bin unglaublich müde. Wenn der Krieg vorbei ist – werde ich erst mal einige Wochen wahrscheinlich nur schlafen. Habe praktisch keine Kraft mehr, bleibt nur eine Art von Widerspenstigkeit, Sturheit und Verzweiflung, Angst davor, dass alles umsonst war, wenn wir die Hände jetzt hängen lassen, dann heißt es, dass wir fünf Jahre lang für nichts gekämpft haben, ohne etwas erreicht zu haben. Ich kann es mir nicht leisten, dass all die Jungs, die jetzt auf unserem Friedhof liegen, ihr Leben umsonst geopfert haben. Zumindest wegen ihnen muss ich einfach diesen Krieg gewinnen.

Nicht weil ich will, nicht weil es mir gefällt. Ich hasse den Krieg, ich selbst bin Pazifist und Humanist. Krieg ist für mich Barbarei. Aber die Alternative zu diesem Krieg ist noch schlimmer. Als wahrer Humanist halte ich es daher für richtiger, zehn Menschen zu töten, damit Zehntausende am Leben bleiben. Deshalb muss ich diesen Krieg zu seinem logischen Ende bringen. Ich werde in Kiew den Straßen entlang laufen, mir Chreschtschatyk ansehen, die Schönheiten der Stadt bewundern - und dann nach Hause nach Moskau zurückkehren.